Bericht des Untersuchungsausschusses zum Flughafen BER

VerkehrCarsten Schatz

"CDU und die FDP brachten eine Privatisierung der Flughafengesellschaft ins Spiel, vielleicht auch nur zu Teilen. Eine solche Privatisierung, also die Sozialisierung von Verlusten und die Privatisierung von Gewinnen, lehnen wir als Linksfraktion ab." sagt Carsten Schatz in seiner Rede im Abgeordnetenhaus.

82. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 19. August 2021

Zu

Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin – 18. Wahlperiode – zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) – Untersuchung II

Bericht Drucksache 18/4010

Carsten Schatz (LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gräff! Sie sagten eben den Satz: Wir wollen keine Spekulation. – Für eine Partei, deren Hälfte des Wahlkampfbudgets, wenn ich die 1,5 Millionen Euro, die in der „BZ“ standen, nehme, von einem Immobilienspekulanten gespendet worden sind, 800 000 Euro, ist der Satz, wir wollen keine Spekulation, ganz schön tapfer.

Zum Thema: Gemessen an den Anspruch, den Chefaufklärer Sebastian Czaja bei Einsetzung des Untersuchungsausschusses ausgerufen hat – es soll ein Denkmal der Aufklärung werden –, sind die Ergebnisse der dreijährigen Untersuchungsausschussarbeit ziemlich dürftig. Ein Großteil der offenen Fragen, warum der Flughafen BER vor bzw. nach der gescheiterten Eröffnung mit massiven Kosten- und Terminüberschreitungen zu kämpfen hatte, wurden bereits im ersten Untersuchungsausschuss zum BER in der letzten Wahlperiode ausführlich und von den damaligen Oppositionsfraktionen bis ins kleinste Detail erörtert. Aus der Sicht der Linksfraktion war die Einsetzung des zweiten Untersuchungsausschusses zum BER bzw. insgesamt des vierten Untersuchungsausschusses zur Flughafenthematik durch die Oppositionsfraktionen unnötig und das falsche parlamentarische Instrument. Denn ein Großteil der Fragen, die die Oppositionsfraktionen im Ausschuss erörtert haben – ich nenne nur die Stichworte Wasser in Kabelschächten, Dübel – waren aktueller Natur und damit im Untersuchungsausschuss fehl am Platz. Das führte immer wieder dazu, dass wir aktuelle Fragen zum Zustand der Baustelle in regulären Ausschüssen und im Untersuchungsausschuss parallel behandelt haben. Zum Teil haben wir Zeugen gehört, die zuvor Anzuhörende im Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -controlling waren. Statt hier, im UA Bmc, die offenen Fragen zu stellen, glänzte die Opposition teilweise durch geistige und körperliche Abwesenheit. Ohnehin hatte die Opposition schnell die Lust am Untersuchungsausschuss verloren, ähnlich wie das Aufsichtsratsmitglied Henkel – gute Besserung übrigens von dieser Stelle aus –, der bei den Aufsichtsratssitzungen, die er zu besuchen hatte, fast nur in der Hälfte der Fälle anwesend war. Nachdem das öffentliche Interesse und die mediale Berichterstattung nach der Einsetzung des Untersuchungsausschusses abgeebbt waren, ebbte also auch das Interesse der Opposition ab.

Umso weniger verwundert es, dass die Koalitionsfraktionen zwei Drittel der insgesamt 318 gestellten Änderungsanträge zum Abschlussbericht eingereicht und die inhaltliche Ausrichtung des Ausschusses übernommen haben. Die Fraktion hier rechts außen hat übrigens keinen einzigen Änderungsantrag gestellt.

Lediglich die FDP und die CDU haben seitens der Opposition Änderungsanträge gestellt, die – man höre und staune – größtenteils von der Koalition mitgetragen wurden. Im Übrigen: Wenn Sie den Abschlussbericht sehen und sich die Minderheitsvoten der Opposition angucken, dann werden Sie im Gegensatz zum Bericht des 1. Untersuchungsausschusses keine geschwärzten Stellen in den Minderheitsvoten finden; auch das finde ich bemerkenswert.

Wir als Linksfraktion haben an der Arbeit des Untersuchungsausschusses der letzten Legislaturperiode angeknüpft. Im Ergebnis stellen wir fest, dass die Jahre zwischen 2012 und 2017 von Fehlentscheidungen, Miss­management und blindem Aktionismus geprägt waren. Lütke Daldrup ist nur zuzustimmen, dass es sich bei den Jahren 2012 bis 2017 um verlorene Jahre handelte. Die vom damaligen Geschäftsführer Mehdorn im Jahr 2013 geäußerte These, dass der Flughafen zu 99 Prozent fertig sei und man am BER lediglich Restarbeiten auszuführen habe, war bereits damals falsch und erweist sich rückblickend erst recht als haltlos. Die Verkabelung, Sprinkler, Brandschutzanlage und Entrauchung waren nicht fertig. Gerade bei diesen Gewerken haben sich die zuständigen bauausführenden Firmen ROM und Caverion als besonders unkooperativ dargestellt und ihre wirtschaftlichen Vorteile gegenüber der FBB gnadenlos ausgespielt, um am Projekt BER noch mehr Geld verdienen zu können.

Auch vermeintlich seriöse Firmen wie Siemens und Bosch haben die schwache Position der FBB finanziell ausgenutzt – ja, weil die FBB weder das Know-how noch die nötige Bauherrenkompetenz besaß, um das Projekt allein über die Bühne zu bringen, geschweige denn eine ordentliche Planung vorzulegen. So hat etwa die Firma Siemens beim Bau des Flughafens 20-mal mehr kassiert, als ursprünglich mit der FBB vereinbart, und konnte ihr Auftragsvolumen von 9,8 auf 200 Millionen Euro steigern. Damit gehört Siemens zu den Topverdienern auf der BER-Baustelle. Hätte man damals, nach der gescheiterten Inbetriebnahme 2012, die Entscheidung getroffen, das Projekt zu unterbrechen, es komplett neu zu planen und dann neue werkvertragliche Vergabestrukturen aufzusetzen, hätten wir uns eine Menge Zeit und Geld gespart, und womöglich wäre der BER viel zu früh – – viel früher an das Netz gegangen.

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen: Es wird gern gesagt, die FBB ist schuld, und die Firmen konnten nichts dafür, die mussten das einfach so machen. – Wenn ein Patient immer wieder mit einer Platzwunde am Kopf zur Ärztin kommt, dann wird sie das sicher ein-, zweimal behandeln, aber irgendwann wird sie auch mal sagen: Hören Sie auf, mit Anlauf gegen die Wand zu rennen! – Unter German Engineering verstehe ich auch, dass Firmen sagen: Moment mal! Ihr habt da ein Problem. Klärt das erst, bevor ihr uns hier permanent neue Sachen – –

Apropos Geld: Gerade die gestiegenen Baukosten stellen die größten Preistreiber der Gesamtkosten von 6 Milliar­den Euro dar. Da sie zum größten Teil kreditfinanziert wurden und die FBB keine finanziellen Reserven besitzt, mussten die Gesellschafter angesichts der Coronapandemie nicht nur letztes Jahr 300 Millionen Euro zuschießen, sondern auch in diesem Jahr noch einmal 660 Millionen Euro.

In Anbetracht der finanziellen Lage der FBB brachten die CDU und die FDP eine Privatisierung der Flughafengesellschaft ins Spiel, vielleicht auch nur zu Teilen. Ich will es an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Eine solche Privatisierung, also die Sozialisierung von Verlusten und die Privatisierung von Gewinnen, lehnen wir als Linksfraktion ab.

Denn die vermeintlich einfache Lösung einer Privatisierung und die damit verbundene Hoffnung, weitere Zahlungen aus den öffentlichen Haushalten zu vermeiden oder gar einen weiteren Ausbau des BER finanzieren zu können, sind aus unserer Sicht illusionär und kosten am Ende mehr, als sie sparen. Viel wichtiger ist es aus unserer Sicht, die Flughafengesellschaft neu aufzustellen. Deshalb haben wir acht Empfehlungen formuliert.

Erstens müssen wir die Flughafengesellschaft teilentschulden und sie von der erdrückenden Schuldenlast befreien. Die Flughafengesellschaft soll auf eigenen Beinen stehen und künftig ohne weitere Zuschüsse durch die Gesellschafter, also auch ohne das Land Berlin, wirtschaften können.

Zweitens müssen wir, wenn es um einen Ausbau geht, eine unabhängige Projektgesellschaft an den Start bringen. Wir haben gelernt, dass die FBB keine Bauherrenkompetenz hatte und durch sie nur unzureichende Entwurfs- und Bedarfsplanungen erarbeitet wurden, übrigens auch beim Terminal 2. Also müssen wir die Flughafengesellschaft auf den reinen Betrieb ausrichten und, wenn es zum Ausbau kommen sollte, eine Projektgesellschaft auf den Weg bringen, die alle Leistungsphasen der Honorar­ordnung für Architekten und Ingenieure umfasst.

Drittens steht, was den weiteren Ausbau angeht, erst einmal ein Stoppzeichen da. Der BER hat mit seinen drei Terminals eine Kapazität von 45 Millionen Passagieren pro Jahr – beim Terminal 1 sind es 27 Millionen, beim Terminal 2  6 Millionen, beim Terminal 5  12 Millionen Passagiere –, bei einer Auslastung vor der Coronapandemie, also 2019, von 37 Millionen Passagieren pro Jahr. Wie sich das weiterentwickelt nach Corona, wissen wir alle nicht. Also muss der Ausbau nur schrittweise und kleinteilig, bedarfsorientiert organisiert werden. Wir wollen da auf Sicht fahren. Wie der Kollege Stroedter schon sagte: Ich finde es richtig, dass die Bundesregierung den Interimsterminal jetzt dauerhaft nutzen will. Damit kann der Terminal 5 dauerhaft am Start bleiben, und eigentlich ist damit auch der Bau des Terminal 3 überflüssig.

Viertens brauchen wir eine eigenständige Immobilienentwicklung am Flughafen BER, weil wir gesehen haben, dass das Risikopotenzial bei der Verwertung der Liegenschaften der FBB ziemlich hoch ist und Konzepte sowie das Geschäftsmodell für die Immobilienentwicklung aus unserer Sicht unzureichend sind. Deshalb wollen wir das herauslösen und eine eigene Tochter auf den Weg bringen oder in die Verwaltung der BIM oder der BImA geben.

Fünftens wollen wir die Umsetzung des Beschlusses zum Erwerb bzw. zur Gründung einer landeseigenen Bodenverkehrsdienstleistungsgesellschaft, denn nicht Geiz, sondern gute Arbeit und faire Löhne sind geil. Dieses Thema wird uns auch in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen.

Sechstens wollen wir, wie ich schon sagte, keine Privatisierung der Flughafengesellschaft, sondern staatliche Kontrolle und staatlichen Einfluss auf systemrelevante Infrastruktur. Die Flughafengesellschaft muss zu 100 Pro­­­zent in öffentlicher Hand bleiben.

Siebtens finden wir, dass eine Flughafengesellschaft, die sich auf den Betrieb des Flughafens konzentriert, nur eine Person in der Geschäftsführung braucht, und nicht drei.

Achtens, lieber Kollege Gräff, geht es an der Stelle nicht nur um eine Sonderprüfung, sondern, wie wir finden, braucht es ein dauerhaftes, gestärktes Gesellschaftercontrolling, das die Parlamente in die Lage versetzt, ihren Controllingauftrag für die öffentlichen Unternehmen – an dieser Stelle für den Flughafen – auszuführen. Dieses dauerhafte Gesellschaftercontrolling haben wir auf den Weg gebracht.

Zum Ende möchte ich danken: der Vorsitzenden, den Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen für die konstruktive Arbeit im Ausschuss. Ich möchte meiner Kollegin Franziska Leschewitz und meinem Kollegen Philipp Bertram danken, die mit mir im Ausschuss saßen. Ich möchte den Referentinnen und Referenten der demokratischen Fraktionen danken, die viel Arbeit weggetragen haben, und natürlich dem Ausschussbüro, das ganz oft unsere langen Sitzungen ertragen hat und ganz oft ertragen hat, wenn ich mich als Letzter noch gemeldet habe:

Ja, die Linksfraktion hat noch Fragen. – Vielen Dank!