Partys auf Kriegsgräbern – Was unternimmt der Senat?

Drucksache 17 / 14 640 - Wir wollten vom Senat wissen, ob er Kenntnisse von der Tanz-Performance und dem Golfspiel auf dem Gelände des Treptower Ehrenmals hatte und ob ihm Maßnahmen der Polizei bekannt sind.

Drucksache 17 / 14 640

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Carsten Schatz (LINKE)

vom 30. September 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Oktober 2014) und Antwort

Partys auf Kriegsgräbern – Was unternimmt der Senat?

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

Frage 1: Hat der Senat Kenntnis von dem Vorfall am 28. Juni 2014, als auf dem Gelände des Treptower Ehrenmals eine Tanz-Performance „20 Dancers for her XX Century“ stattfand, wogegen nach Angaben von Anwohnenden Anzeige erstattet wurde? Sind dem Senat Maßnahmen der Polizei in der Sache bekannt?

Antwort zu 1: Ja. Am 27. und 28. Juni 2014 fand auf dem Gelände des Ehrenmals im Treptower Park eine von der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt genehmigte und beauflagte Veranstaltung statt. Bei dieser Veranstaltung handelte es sich um das Tanzprojekt „20 Dancers for the 20th Century“ im Rahmen des Festivals „Foreign Affairs“ der Berliner Festspiele.

Der zuständige Polizeiabschnitt 65 wurde vorab von der zuständigen Senatsverwaltung über die genehmigte Veranstaltung informiert und betreute diese mit eigenen Kräften. Laut Angaben der Polizei wurden anlassbezogene Anrufe, Beschwerden oder Anzeigen gegen die Veranstaltung am Veranstaltungstag nicht bekannt.

Frage 2: Das Treptower Ehrenmal, auf dessen Areal auch 7.000 von 80.000 in der Schlacht um Berlin gefallene Soldaten der Roten Armee bestattet wurden, ist eine Kriegsgräberstätte. Grundlage dafür ist das Kriegsgräberabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation vom 12.12.1992, nach dem die Regierungen beider Staaten den Schutz der Kriegsgräber und das dauernde Ruherecht für die Kriegsopfer zu gewährleisten haben. Hält sich der Senat daran gebunden?

Antwort zu 2: Der Senat ist sich der dem Land Berlin übertragenen Aufgabe des dauerhaften Erhalts der in Berlin befindlichen Kriegsgräberstätten vollends bewusst und hält sich uneingeschränkt an die mit dieser Aufgabe zusammenhängenden Verpflichtungen.

Frage 3: Hat der Senat Kenntnis von dem Vorfall am 28. August 2014, als das Gelände für ein Golfspiel von ca. 50 Personen genutzt wurde?

Antwort zu 3: Der Senat hatte im Vorfeld des Vorfalls keine Kenntnis darüber, dass sich am 28. August 2014 Personen zu Golfübungen auf dem Gelände des Ehrenmals zusammenfinden wollten. Eine entsprechende Genehmigung lag auch nicht vor. Die Polizei Berlin erhielt erst am Ereignistag telefonisch Kenntnis über den Sachverhalt und entsandte Einsatzkräfte zu der Örtlichkeit.

Frage 4: Wie bewertet der Senat beide Vorfälle?

Antwort zu 4: Anfragen zur Sondernutzung der Ehrenmale, wie die von den Berliner Festspielen am 27. und 28. Juni durchgeführte Tanzveranstaltung auf dem Gelände des Ehrenmals im Treptower Park, werden nur in engen Grenzen genehmigt. Sämtliche Nutzungen sind gegenüber der Bedeutung und Würde des Ortes als Begräbnisstätte und Gedenkort abzuwägen. Eine Genehmigung wird nur dann in Aussicht gestellt, wenn die beantragte Sondernutzung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschichte des Ortes und dem Ehrenmal selbst steht. Eine bloße Nutzung als interessante Kulisse ist auszuschließen.

Die Berliner Festspiele haben mit der Beantragung der Genehmigung zur Durchführung des Tanzprojektes „20 Dancers for the 20th Century“ im Rahmen des Festivals „Foreign Affairs“ nachvollziehbar begründet, warum die Veranstaltung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschichte des Ortes und der Zeit steht und warum dieser Ort für die künstlerische Auseinandersetzung mit den Themen Erinnern, Gedenken, Trauern und Versöhnen ausgewählt worden ist. Es gab keinen Anlass, an dem Bewusstsein der an dem Projekt Beteiligten für die Besonderheit des Ortes und seiner Geschichte zu zweifeln.

Vielmehr ist das Tanzprojekt der Berliner Festspiele als ein anerkennenswerter Beitrag zu einer vielgestaltigen Gedenkkultur zu werten und nicht als Party-Veranstaltung einzustufen. Eine Verletzung völkervertragsrechtlicher sowie der im Gräbergesetz des Bundes enthaltener ausdrücklicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland, Kriegsgräberstätten in ihrer Würde zu schützen und als Stätten des Gedenkens zu erhalten, ist darin nicht zu sehen. In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass künstlerische Veranstaltungen den Schutz der im Grundgesetz in Artikel 5 Absatz 3 als Grundrecht garantierten Kunstfreiheit genießen und dies Gegenstand unterschiedlicher individueller Anschauungen und Bewertungen sein kann, jedoch dies keiner gesetzlichen Definition unterliegt.

Das Ereignis am 28. August 2014, bei dem das Gelände des Ehrenmals im Treptower Park zum Golfspielen genutzt wurde, ist demgegenüber anders einzustufen. Diese Nutzung ist nicht mit der Zweckbestimmung der Kriegsgräberstätte vereinbar und ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Geschichte des Ortes nicht erkennbar. Sie war im Vorfeld nicht angemeldet worden und wäre auch nicht genehmigt worden.

Die eingesetzten Polizeidienstkräfte stellten fest, dass es sich hier um ca. 20 Personen handelte, die sich ausschließlich aus Freude am Golfsport zusammengefunden hatten. Die Personen haben sich offensichtlich an den dort vorgefundenen Geländegegebenheiten orientiert. Dieser Vorfall in einem Bereich des Sowjetischen Ehrenmals stellt jedoch keine strafbare Handlung nach § 168 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) dar. Nach dieser Vorschrift macht sich nur strafbar, wer eine Aufbewahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt. Das Verüben beschimpfenden Unfugs als Tathandlung bedeutet dabei ein durch ein besonderes Maß an Pietätlosigkeit und Rohheit gekennzeichnetes Verhalten, mit dem der Täter seine Veroder Missachtung zum Ausdruck bringt. Ein solches Verhalten stellte das Golfspiel im konkreten Fall nicht dar. Darüber hinaus ergab das Gespräch der Einsatzkräfte mit der angetroffenen Personengruppe, dass diese nicht die Absicht hatte, die Totenruhe bzw. die Würde des Ortes zu stören, sondern sich der Bedeutung ihres Handelns vor dem Hintergrund der historischen Hintergründe der Anlage nicht bewusst war. Die Personengruppe zeigte sich aufgrund des Gesprächs mit den Polizeidienstkräften einsichtig und beendete ihr Golfspiel umgehend.

Frage 5: Nach Angaben von Anwohnenden verhielt sich die herbeigerufene Polizei in beiden Fällen äußerst zurückhaltend, obwohl ein Verdacht auf eine Straftat nach §168 StGB (Störung der Totenruhe) nahe liegt? Warum wurden von den angetroffenen Party-Veranstaltenden und Golf-spielenden keine Personalien aufgenommen?

Antwort zu 5: Wie bereits beschrieben, war die Tanzveranstaltung am 28. Juni genehmigt und dementsprechend waren die Personalien der Verantwortlichen der Polizei bekannt. Es lagen keinerlei Anhaltspunkte für den Verdacht anlassbezogener Straftaten vor.

Der Vorfall am 28. August 2014 hingegen wurde durch einen Bürger telefonisch der Wache des Polizeiabschnitts 65 gemeldet. Über die Einsatzleitzentrale der Polizei wurden daraufhin ein Einsatzwagen des Polizeiabschnitts 65 und eine Objektschutzstreife des Polizeiabschnitts 66 zum Ehrenmal entsandt. Im Bereich der Skulptur „Mutter Heimat“ wurden ca. 20 sportorientierte Personen angetroffen, die auf der angrenzenden Rasenfläche zwischen der Skulptur und dem sogenannten Fahnenmassiv Golfschläge übten. Den Anweisungen der Polizeidienstkräfte wurde unverzüglich Folge geleistet und die sportlichen Aktivitäten wurden an diesem Ort sofort eingestellt.

Wie in der Antwort zu Frage 4 bereits dargestellt, lag für die vor Ort eingesetzten Polizeidienstkräfte kein Sachverhalt vor, nach dem Anlass zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 168 StGB bestand. Damit war auch kein Grund für eine Feststellung der Personalien der angetroffenen Personen gegeben.

Frage 6: Wie wäre die Stellungnahme des Senats, wenn die Antifa ein Golfturnier auf einer Kriegsgräberstätte mit Gräbern deutscher Kombattanten wie z.B. in Halbe veranstalten würde?

Antwort zu 6: Ein solches Vorhaben wäre mit der Würde des Ortes als Begräbnisstätte und Gedenkort ebenfalls nicht vereinbar.

Frage 7: Was wird der Senat in Zukunft unternehmen, um eine Schändung von Kriegsgräbern in Berlin zu verhindern?

Antwort zu 7: Für die drei in Berlin befindlichen Sowjetischen Ehrenmale und Soldatenfriedhöfe (Tiergarten, Treptow und Pankow) gilt, dass auch künftig Anfragen zur Sondernutzung einer kritischen Prüfung hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit unterzogen und nur dann im Ausnahmefall zugelassen werden, wenn die beantragte Sondernutzung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschichte des Ortes und dem Ehrenmal selbst steht und die Würde des Ortes als Begräbnisstätte und Gedenkort gewahrt bleibt.

Daneben wird für die Sowjetischen Ehrenmale nach wie vor täglich ein regelmäßiger Objektschutz durch die Polizei gewährleistet.

Berlin, den 17. Oktober 2014

In Vertretung

Christian Gaebler
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Okt. 2014)

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