Nach der Studie für Hamburg: Auswirkungen der geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP auf Berlin

Drucksache 17 / 15 585 - Wir fragten den Senat, ob er die campact-Studie zu den wahrscheinlichen Auswikungen des geplanten Freihandelsabkommen TTIP für Hamburg kennt und wie er sie beurteilt.

Drucksache 17 / 15 585

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Carsten Schatz (LINKE)

vom 18. Februar 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Februar 2015) und Antwort

Nach der Studie für Hamburg: Auswirkungen der geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP auf Berlin

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

1. Kennt der Senat die campact Studie zu den wahrscheinlichen Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens TTIP für Hamburg
(
http://blog.campact.de/wpcontent/uploads/2015/01/Campact_TTIPCETA_Hamburg.pdf)? Wenn ja, wie beurteilt er diese?

Zu 1.: Dem Senat ist die campact Studie zu den wahrscheinlichen Auswirkungen von TTIP für Hamburg nicht zugestellt worden.

2. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass es sich bei TTIP wahrscheinlich und bei CETA nach dem vorliegenden Text sicher um sog. gemischte Abkommen handelt, die neben einer Ratifizierung durch das EU-Parlament auch einer Ratifizierung der nationalen Parlamente, also in Deutschland des Bundestages und des Bundesrates, bedürfen: Teilt der Senat diese Einschätzung? Wenn nein, warum nicht?

Zu 2.: Der Senat geht davon aus, dass die Abkommen CETA und TTIP als sog. gemischte Abkommen geschlossen werden, d.h. sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten werden unmittelbar Vertragspartner Kanadas, bzw. der USA.

3. In der Studie wird die Befürchtung geäußert, private Anbietende von Dienstleistungen im Bildungsund Kulturbereich könnten Subventionen einklagen und öffentliche Träger im Bereich Volkshochschulen, Musikschulen und Pflegeeinrichtungen niederkonkurrieren: Teilt der Senat diese Befürchtung? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie will er ihnen begegnen?

Zu 3.: Nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums war eine umfassende Bereichsausnahme für Kultur nicht möglich, da für einige der Kultur unterfallende Dienstleistungen im General Agreement on Trade in Services (GATS) keine Vorbehalte enthalten sind, so dass sich hier bereits aus dem GATS eine Liberalisierungsverpflichtung ergibt, hinter der die Vereinbarungen eines bilateralen Abkommens nicht zurückbleiben können. Soweit eine Ausnahme für Kultur mit dem GATS vereinbar ist, soll diese im Rahmen der Negativliste aufgenommen werden.

4. Die Studie verweist auf Gefahren für das Hamburgische Vergabegesetz, dass tarifliche und Umweltkriterien (gleiche Entlohnung von Leiharbeitnehmern, die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und eine umweltverträgliche Beschaffung) bei der Vergabe zu Entscheidungsgrundlagen macht und durch Liberalisierung unter Druck stehen könnte: Sieht der Senat ähnliche Gefahren für die Situation in Berlin? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie will er darauf reagieren?

Zu 4.: Bei der Harmonisierung von Standards sind auch das Nachhaltigkeitsziel gemäß Art. 3 UAbs. 3 Satz 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), die Querschnittsklauseln zugunsten des Umweltschutzes und des Verbraucherschutzes (Art. 11, 12 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) und das Erfordernis einen hohes Schutzniveaus im Umwelt-, Gesundheitsund Verbraucherschutz bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen (Art. 191, 168, 169 AEUV) zu beachten. Der Senat teilt die Auffassung, dass insbesondere die Einhaltung der Standards nach den ILO-Kernarbeitsnormen im Rahmen des Handelsabkommens sichergestellt werden muss. Um ein höchstmögliches Schutzniveau für europäische und amerikanische Verbraucherinnen und Verbraucher zu erreichen und zu sichern, sollte der jeweils höherwertige Standard des Partnerlandes übernommen bzw. anerkannt werden.

5. Auch im Bereich der Rekommunalisierung von Netzen, in Hamburg geplant Energie und Fernwärme, sieht die Studie Konfliktpotential: "Grundsätzlich ist die Privilegierung eines stadteigenen Mitbieters ein vergaberechtliches Problem, das in ein Schiedsverfahren münden kann, falls sich Mitbewerber diskriminiert fühlen. Der in TTIP und CETA vorgesehene Investitionsschutz erstreckt sich auch auf Konzessionen (siehe CETAs Investitionskapitel, Artikel X.3).“ Sieht der Senat dieses Konfliktpotential auch für Berlin? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie will er darauf reagieren?

Zu 5.: Das Abkommen enthält eine breite Ausnahmeregelung für die öffentliche Daseinsvorsorge, durch die auch eine künftige Rekommunalisierung dieser Bereiche abgedeckt wäre. Wenn aber eine Kommune eine Dienstleistung ausschreibt, um sie durch Marktakteure erbringen zu lassen, muss dies nach den geltenden Vergabevorschriften erfolgen. Der Senat vertritt die Auffassung, dass Investoren grundsätzlich auf den Rechtsweg vor nationalen staatlichen Gerichten zu verweisen sind.

6. Auch im Bereich der städtischen Regulierungen sieht die Studie Probleme. Angeführt werden als Beispiele a) Konflikte zwischen Marktzugangsund Nichtdiskriminierungsregeln und einer sozialen Gestaltung des Wohnungsmarktes,

b) möglicherweise entstehende Vertragsstreitigkeiten,

die womöglich zu kostspieligen Entschädigungsklagen führen könnten und

c) mögliche Entschädigungsklagen bei Erlass von Gebührenordnungen und die Gewerbeaufsicht.

Sieht der Senat ähnliche Probleme? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie will er ihnen begegnen?

Zu 6.: Der Senat wird auf der Grundlage des paraphierten Textes nach Abschluss der rechtlichen Überprüfung durch die Verhandlungsparteien eine Bewertung im Rahmen des Bundesratsverfahrens vornehmen.

Berlin, den 02. März 2015

In Vertretung

Guido Beermann
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Mrz. 2015)

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